Es ist das Beste für unsere Kinder – Die Geschichte von Steffi und Marc

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gefühle: abgründe und urgründe

Es ist das Beste für unsere Kinder…!

Die Geschichte von Steffi und Marc.

 

Karim* und Sophie* sind sechs und neun Jahre alt, als ihre Eltern sich trennen. Marc*, der Vater, hatte vor über einem Jahr eine außerpartnerschaftliche Affaire begonnen. Es hatte als einmalige Sache angefangen. Aber die war es nicht geblieben. Und wahrscheinlich hätte Steffi*, seine Frau, von dieser Geschichte noch viel länger nichts erfahren, wenn… Ja, wenn… Wenn Katja* nicht schwanger geworden wäre. Marc stand vor einer schweren Entscheidung. Er entschied sich für Katja.

(*alle Namen und einige weitere persönliche Details geändert.)

Vielleicht hätte die Beziehung zwischen Steffi und Marc noch eine Chance gehabt. Damals, als die Begegnung von Marc und Katja noch besagte „einmalige Sache“ war. Vielleicht hätte genau diese Begegnung eine reinigende Krise ausgelöst, vielleicht hätte sie… die Beziehung der beiden auf ein neues, tieferes und ehrlicheres Feld wahrhaftiger Kommunikation geführt. Vielleicht…

Wenn Marc geredet hätte. Aber Marc hat nicht geredet…

Vielleicht hätte Marc geredet, wenn Steffi zuvor seinen sexuellen und emotionalen Wünschen mit Empathie und Offenheit begegnet wäre, anstatt diese als Angriff auf sich zu verstehen und sich konsequent durch Gegenangriffe zu verteidigen. Aber Steffi hatte keine Empathie und Offenheit für die Wünsche von Marc gehabt. Katja schon. Und darüber hinaus hatte Katja sogar Lust, Marc seine Wünsche zu erfüllen. Und so blieb es nicht bei einer einmaligen Sache.

 

Wenn Ursachenforschung keinen Sinn mehr macht

In der Beziehung zwischen Steffi und Marc war jeder Bedürfniskonflikt die Ouvertüre zu einem Kampf, in dem es nur Gewinnen oder Verlieren gab. Steffi war eine gute Kämpferin, geübt, ihren Willen durchzusetzen, wenn es darauf ankam. Und es kam oft darauf an…

Wir könnten tiefer hinschauen. Könnten uns fragen, warum Marc nicht den Mut gehabt hatte, Steffi gegenüber entschlossener zu seinen Wünschen zu stehen. Warum er nicht den Mut gehabt hatte, zu sich zu stehen und ihr zu sagen, was genau die Begegnung mit Katja in ihm ausgelöst hatte. Damals, als es noch eine „einmalige Sache“ war.

Wir könnten uns fragen, woher Steffis Angst vor seinen Wünschen rührte. Von wem sie gelernt hatte, dass eine Frau ihren Mann besser an der kurzen Leine hält. Wir könnten über frühkindliche Erfahrungen sprechen. Über das, was seine und ihre Eltern ihren inzwischen erwachsenen Kindern damals vorgelebt und eingeprägt hatten. Das könnten wir.

Über all das könnten wir sprechen. Oder hätten es können. Um neue Wege des Miteinanders auszuloten. Um eine Beziehung möglich zu machen, die von Ehrlichkeit und Wertschätzung geprägt wäre. Ja… Hätten… Doch dafür war es längst zu spät. Als Marc schließlich das Gespräch mit Steffi suchte, war sie für ihn im Herzen schon lange nicht mehr „meine Frau“, sondern nur noch „die Mutter meiner Kinder“.

Das Gespräch, das sie an diesem Abend führten, war nicht wirklich ein Gespräch. Es war ein In-Kenntnis-Setzen. Marc klärte Steffi auf über den Teil seiner Vergangenheit, den sie nicht kannte, und darüber, was seine nächsten Schritte sein würden. Die Frage war nicht, ob sie miteinander noch eine Chance hätten. Die Frage war, wer aus dem gemeinsamen Haus ausziehen wird – und wann.

 

Untergang und Auferstehung einer zum Siegen Verdammen

Sie hatte so gut gekämpft. Sie hatte immer gewonnen. Nun hatte sie alles verloren. Und es gab nichts mehr, was sie durch weiteres Kämpfen noch erreichen konnte.

Oder …?!

Einige Tage lang wirkte Steffi wie unter Schock. Sie sprach kaum. Ihr Blick war fahrig und wich dem Seinen aus. Alles, was sie tat, wirkte roboterhaft, bar jeder Lebendigkeit. Es schmerzte Marc, sie so zu sehen. Manchmal hatte er den Impuls, sie zu trösten. Doch jede Anbahnung von emotionalem oder körperlichem Kontakt wies sie schroff zurück. Sie verbrachte viel Zeit mit ihrem Handy, schrieb sich stundenlang mit ihren Freundinnen hin und her. Um ihre Kinder kümmerte sich in dieser Zeit er. Nachts sprach er mit Katja. Wenn Steffi schlief, weinte er im Garten hinter dem Haus in sein Telefon. Katja hörte ihm zu.

Eine knappe Woche nach seiner Eröffnung stand Steffi eines Abends plötzlich mit funkelnden Augen vor ihm. „Ich habe nachgedacht“, sagte sie. „Ich möchte, dass du gehst. Und zwar so schnell wie möglich!“

„Es ist das beste für unsere Kinder“, sagte sie, „wenn sie den Streit zwischen uns nicht länger ertragen müssen.“

„Es ist das beste für unsere Kinder, wenn sie hier – mir mir – in ihrem vertrauten Zuhause bleiben.“

„Es ist das beste für unsere Kinder, wenn du gehst.“

 

Kalter Krieg

Das Wort „Streit“, das Steffi verwandt hatte, war ein purer Euphemismus. Das, was sich zwischen ihr und Marc in den Tagen zuvor abgespielt hatte, war bitterster kalter Krieg. Und zwar ein kalter Krieg, der von ihr ausging. Sie blockierte jedes Gesprächsangebot von ihm. Sie war es, der ihn ihren Kindern gegenüber nicht mehr beim Vornamen nannte. Wenn es sich nicht vermeiden ließ, überhaupt von ihm zu sprechen, dann sagte sie „euer Vater“.

„Euer Vater holt euch von der Schule ab.“
„Euer Vater ist spät dran.“
„Euer Vater zieht hier aus.“

Steffi ist eine kluge und rhetorisch versierte Frau. Es gab ihr Genugtuung, den Mann, der einmal ihr Mann gewesen war, in seinem Wunsch nach Kommunikation und Harmonie am langen Arm verhungern zu lassen. Hin und wieder stellte sie ihm Fragen über Katja. Kurze Fragen. Wenn sie gehört hatte, was sie hatte hören wollen, dann war das Gespräch für sie wieder beendet.

Daher wusste sie, dass Katja alleinstehend war und keine Kinder hatte. Sie hatte also voraussichtlich eine Wohnung, in der kein Platz sein würde für Karim und Sophie. Wenn Marc ihrem Druck wich und ging, dann würde er die Kinder bei ihr lassen müssen. Steffi war eine ausgezeichnete Strategin. Selbst wenn Gewinnen nicht mehr möglich war, eine Niederlage stand nicht zur Disposition.

 

Ein chancenloser Mediationsversuch

Als Steffi und Marc zu mir kamen, war all das Vergangenheit. Er wohnte zum Übergang mit Katja in ihrer Drei-Zimmer-Wohnung. Jedes zweite Wochenende erlaubte Steffi ihm, seine Kinder zu sehen. Sie hatte das Schloss auswechseln lassen und ihm erklärt, wenn er unangemeldet auftauchen würde, dann würde sie die Polizei und das Jugendamt rufen. Mit Katja zusammen ist er auf der Suche nach einer größeren Wohnung. Doch der Wohnungsmarkt in ihrer Stadt ist hart umkämpft. Es ist nicht leicht, etwas zu finden, das gleichzeitig schön und darüber hinaus bezahlbar ist.

Marc hatte und einen Termin für eine begleitende Mediation gebeten. Er wollte gerne unter fachlicher Hilfe mit Steffi gemeinsam eine neue Regelung für seinen Umgang mit seinen Kindern finden.

Mediation ist ein Verfahren, das hilft, gemeinsame Lösungen in emotional verfahrenen Situationen zu finden. In vielen Fällen hat das achtsame Verhandeln von Bedürfnissen unter erfahrener Begleitung gute Ergebnisse erzielt. Allerdings kann Mediation nur dann erfolgreich sein, wenn es auf beiden Seiten der emotionalen Betroffenheit eine grundsätzliche Bereitschaft zur Bewegung gibt.

Steffi blieb hart.

„Du hast unsere Familie zerstört und uns (!) verlassen! Die Kinder wissen, dass ich für sie da bin. Und es geht ihnen gut damit. Außerdem hast du da, wo du jetzt bist, sowieso keinen Platz für sie. Wir lassen es so, wie es ist.“

Marcs Gesprächsversuche unter fachlicher Leitung waren chancenlos. Ich konnte ihnen nicht helfen. Zu tief waren die Wunden. Zu eingefahren die Konfliktstrategien. Steffi ist geübt darin, mit harten Bandagen zu kämpfen. Marc hat Angst vor Konfrontation. Und davor, dass sie ihm den Kontakt mit seinen Kindern noch weiter erschwert.

Wir brachen die Gespräche ergebnislos ab. Das ist nun etwa sechs Monate her.

 

Unsanftes Erwachen

Vor einigen Tagen habe ich Marc wieder gesehen. Er und Katja haben eine Wohnung gefunden. Karim und Sophie haben darin ein eigenes Zimmer. Ein Zimmer allerdings, in dem nur alle zwei Wochen ein Vater mit seinen Kindern spielt, ihnen vorliest und ihnen zum Einschlafen Lieder singt. Auch Katja verbringt Zeit mit Marcs Kindern. Sie scheinen sie zu mögen, auch wenn es bei so sporadischem Kontakt noch eine Weile dauern wird, bis so etwas wie eine Bindung zu dieser neuen Frau entsteht.

Kurz vor Marcs Anruf mit der Bitte um einen neuen Termin hatte es ein Gespräch zwischen Steffi und ihm gegeben. Sie hatte ihm erklärt:

„Sophie schläft nicht gern bei dir. Sie ist immer ganz aufgewühlt, wenn sie wieder nach Hause (!) kommt. Es wird das Beste für unsere Kinder sein, wenn sie auch am Wochenende in der Nacht zuhause (!) schlafen!“

Vielleicht, denke ich, musste es so weit kommen. Vielleicht war all das notwendig, damit Marc nun schlussendlich bereit ist, seiner Angst vor einer scheinbar übermächtigen Frau in die Augen zu schauen, aufzustehen und seinen Kindern den Vater zu geben, den sie von Anfang an verdient haben.

 

Ausblick auf ein dorniges Stück Weg

Es wird nicht leicht werden für Marc, soviel steht fest. Marc hat schon früh verinnerlicht, dass er Harmonie nur dann erreicht, wenn er nachgibt. Darüber hinaus hat er Fakten geschaffen, als er sich Steffis Druck beugte und das einstmals gemeinsame Zuhause vorschnell verließ, um an einen Ort zu gehen, an dem für seine Kinder in der Tat kein substanzieller Raum war.

Im Gegensatz zu Frankreich, Belgien, Spanien, Italien, Griechenland, Dänemark, Schweden, Norwegen, Tschechien, der Slowakei, der USA, Kanada und Australien ist beispielsweise das elterliche Wechselmodell (50% der Zeit beim Vater, 50% bei der Mutter) in Deutschland (Stand 2017) nicht gesetzlich verankert. Eine Änderung des bisherigen Umgangs getrennter Eltern mit ihren Kindern kann hier nur im Konsens erfolgen. Was bedeutet: Wenn sich einer der Elternteile sperrt, dann bleibt es, wie gehabt.

Kurz zuvor war Marc beim Jugendamt seiner Gemeinde gewesen, um seine Möglichkeiten für eine Änderung des Umgangs zu erfragen. Als er mir gegenüber davon sprach, war seine Stimme erfüllt von Bitterkeit und Resignation. Die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes war gut informiert. Er hatte vor Jahren therapeutische Hilfe in Anspruch genommen, nachdem er einen Job verloren hatte. Darüber aber musste er mit der Frau gar nicht sprechen. Das hatte im Vorfeld bereits Steffi getan. Die Gemeindemitarbeiterin hatte offensichtlich bereits ein in sich schlüssiges Bild von ihm. „Sie waren ja schon mindestens einmal psychologisch in Behandlung…“, hatte die Dame ihm mit festem Blick erklärt. „Meinen Sie nicht, die Kinder sind bei der Mutter besser aufgehoben?“ Schulterzuckend sagt sie am Ende ihres Gesprächs: „Sie können natürlich den Weg über das Gericht wählen, aber bei ihrer Vorgeschichte…“

Marc ist ein herzensguter Mann, der seine Kinder liebt. Ich bin juristisch nicht versiert. Sollte Marc allen Widerständen zum Trotz dem Weg zum Gericht wählen, dann wird er andere Hilfe brauchen als mich.

Bis dahin aber werde ich diesen Vater so gut es mir möglich ist darin unterstützen, dass ihm wenigstens das, was ihm an Zeit und Verbundenheit mit seinen Kindern geblieben ist, erhalten bleibt. Dass er sich übt darin, sich seinen Ängsten zu stellen. Und dass er jene beziehungsnotwendige Entschlossenheit und Integrität gewinnt, die ihm sein eigener Vater leider niemals vorleben konnte.

 

Epilog 1: Von Tätern und Opfern

Eine Geschichte wie die von Steffi und Marc weckt unweigerlich alte Täter-Opfer-Narrative. Marc erscheint als das arme Opfer seiner hartherzigen und berechnenden Ex-Frau. Diese Sicht der Dinge ist nicht von der Hand zu weisen. Vor allen Dingen Marc ist es, der sie vertritt. Aus der Perspektive von Steffi sieht die Geschichte aus nachvollziehbaren Gründen vollkommen anders aus.

Steffi hat nicht gelogen, als sie sagte, Marc hätte ihre Familie zerstört. Marcs heimliche Liaison mit Katja war ein schwerer Bruch ihres partnerschaftlichen Commitments. Er war es, der die ungeschriebenen Regeln ihres Miteinanders eindeutig und in der Folge unwiderruflich brach.

In dieser Geschichte geht es mir nicht darum, einseitige Schuldurteile auszusprechen. Ganz im Gegenteil. Marc und Steffi waren jeweils zu ganz eigenen Anteilen daran beteiligt, dass sich ihre Beziehung in der Art und Weise entwickelte, wie es im Laufe ihrer Jahre nunmal geschehen ist. Jede und jeder von ihnen hätte die Chance gehabt, die eigenen Konfliktmuster zu durchbrechen und der gemeinsamen Beziehung dadurch einerseits unbequeme Ehrlichkeit, andererseits aber auch wahrhaftige Lebendigkeit einzuflößen. Sie beide haben es nicht getan und tragen je ihren ganz eigenen Anteil der Verantwortung dafür.

In dieser Geschichte war es die Mutter, die ihren Kindern den lebendigen Kontakt zu ihrem Vater aus niederen Motiven (Vergeltung für eine unerträgliche Demütigung) sabotierte und ihren Kindern damit Leid antat. In anderen Geschichten ist es der Vater, der sich aus Scham oder falschem Stolz entzieht, der den Kindern Schauergeschichten über die Mutter erzählt oder das Thema wechselt, wenn seine Kinder von ihr sprechen wollen.

All das ist emotionale Gewalt, die Eltern ihren Kindern aus eigenem unverarbeitetem Schmerz heraus antun. Beide Geschlechter tun sich dabei in meinen Augen nichts. Hier geht es nicht um Schuld. Es geht um Bewusstheit.

Was Kinder brauchen, um sich emotional gesund und sozial intelligent zu entwickeln, sind meiner Auffassung nach nicht zwingend Eltern, die miteinander unter einem Dach wohnen. Kinder brauchen für eine gesunde emotionale und soziale Entwicklung meiner Auffassung nach allerdings Eltern, von denen sie spüren, dass sie einander achten und respektieren. Ich glaube, sie brauchen substanziell Zeit und Raum mit jedem ihrer Elternteile. Insbesondere glaube ich jedoch, sie brauchen Eltern, die sie lehren, auf selbst-bewusste und würdevolle Weise mit schwierigen Gedanken, Gefühlen oder Impulsen umzugehen.

In dieser Geschichte war es Steffi, die ihre unverarbeiteten Gefühle der Scham, der Trauer und der Wut am Vater ihrer Kinder und damit über Bande an ihren eigenen Kindern ausließ. In anderen Geschichten geht die emotionale Gewalt von einem Frank aus, von einem Thorsten, einem Sebastian, einem Ahmet oder Dirk.

Dennoch habe ich die Rollen der Geschlechter in dieser Geschichte nicht willkürlich gewählt. Denn in der Tat herrscht in unserer Kultur noch vielfach das Verständnis vor, es seien vorrangig die Väter, die ihre Frauen sitzen- und ihre Kinder im Stich lassen. Es mag solche Väter geben. Nein, ich weiß, dass es solche Väter gibt.

Diesen Vätern sage ich: Schämt euch ausgiebig für das, was ihr euren Kindern und Enkelkindern damit höchstwahrscheinlich antut! Und dann, verdammt, stellt euch euren eigenen Bindungs-Erfahrungen und -Themen! Fangt endlich an damit, eure eigenen Wunden zu heilen, damit ihr verhindert, dass ihr das Leid eurer emotionalen Wunden an eure Kinder weitergebt! Ihr habt es in der Hand, die intergenerationale Trauma-Kette zu zerreißen und damit euren eigenen Kindern, Enkeln und Urenkeln ein Leben und Lieben zu ermöglichen, wie es euren Vorvätern und vielleicht sogar euch selbst bis heute niemals zu erfahren möglich war. Euer Verhalten wird darüber entscheiden, ob das eine oder das andere passieren wird. Es liegt allein in eurer Hand.

Aber es gibt sie auch, die anderen Männer. Und das nicht zu knapp. Männer, die ihrer Verantwortung und Rolle als Vater gerecht werden wollen. Und denen wieder und wieder von Seiten der Mütter und unzähliger Mitarbeiter(innen) in den Jugendämtern psychologische Fußfesseln und Maulkörbe angelegt werden.

Genau diesen Vätern sei diese Geschichte gewidmet. Gebt nicht auf! Eure Kinder brauchen euch!

 

Epilog 2: Von Retter:innen auf Irrwegen

Eine in meinen Augen besonders tragische Rolle in der Geschichte von Steffi und Marc kommt der Mitarbeiterin im kommunalen Jugendamt zu.

Lasst mich an dieser Stelle sagen: Ich kenne auch andere Geschichten von Jugendamts-Mitarbeiter:innen. Ich kenne Geschichten, in denen diese Menschen es zustande brachten, dass zutiefst zerstrittene Paare sich wieder ineinander einfühlen konnten. Ich kenne Geschichten, in denen Mitarbeiter:innen von Jugendämtern Konflikte mit beeindruckendem Feingefühl und tiefem Einfühlungsvermögen deeskalierten. Ich kenne Geschichten von Mitarbeiter:innen in Jugendämtern, die daruf bestanden, Mutter und Vater jeweils mindestens einmal alleine und einmal zusammen mit den gemeinsamen Kindern zu erleben, bevor sie überhaupt eine Empfehlung für ein weiteres Vorgehen aussprachen. Ich kenne Geschichten von empathischen, selbstreflektierten und wahrhaftig am Wohle der Kinder interessierten Menschen in dieser Position.

Leider aber handeln noch immer viele der Geschichten, in denen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter des Jugendamtes auftreten, von unterkühlten Bürokrat:innen oder leider auch noch oft von Menschen, die, vermeintlich aus niemals reflektierten Bindungs-Erfahrungen  ihres eigenen Lebensweges heraus, intuitiv und teils vehement das Wohl der Mutter mit dem Wohl ihrer Kinder gleichsetzen.

Dies ist insbesondere deswegen so traurig, weil Mutter und Vater in solchen Geschichten mit der vor ihnen liegenden Situation in aller Regel aus mehr als nachvollziehbaren Gründen emotional schwer überfordert sind. Psychologisch betrachtet ist es geradezu zu erwarten, dass beide Beteiligte im Kontakt miteinander immer wieder heftig regredieren und dadurch in Kommunikations- und Konfliktmuster verfallen, die sich potenziell auf Teenager- oder aber auf Kleinkind-Niveau bewegen. Diese Regression der beteiligten Konflikt-Parteien ist in meinen Augen vollkommen verständlich. Was es braucht, ist eine dritte Partei, die gewillt und dazu im Stande ist, sich in in alle beteiligten Personen einzufühlen, ihre Gedanken, Gefühle oder Impulse zu achten und eben so die emotionalen Wellen zu beruhigen, die sich vollkommen nachvollziehbarerseise in allen Beteiligten und Betroffenen aufbäumen.

Leider gehören meiner Kenntnis nach bislang weder ein grundlegendes Fachwissen in Sachen Psychologie oder Bindungs-Theorie noch fortlaufende psychologische Beratung oder Supervision zu den Anforderungen oder Arbeitsbedingungen sogenannter „Sach- oder Fallbearbeiter:innen im Jugendamt“. Damit an dieser Stelle keine falschen Vorstellungen entstehen: Es waren in mehreren Fällen Mütter, die mir davon berichteten, wie negativ oder teils sogar abfällig Mitarbeiter:innen dieses Amtes während ihrer Beratungstermine über die Väter ihrer Kinder sprachen.

Diese Menschen sind nicht selten wegweisend an den neuralgischen Prägungserfahrungen von Kindern und Jugendlichen beteiligt. Ihre Entscheidungen oder Einschätzungen definieren unter Umständen psychologisch hochrelevante Bindungserfahrungen im Leben mehrerer Menschen. Jede dieser Bindungserfahrungen hat potenziell über Hahrzehnte hinaus Auswirkungen auf zukünftige Entscheidungen einiger oder sogar aller dieser Menschen.

Ich persönlich halte die entscheidende Funktion dieser Menschen im Leben unzähliger anderer Personen für derart bedeutsam und achtenswert, dass ich der Auffassung bin, diese Menschen verdienen sowohl ein substanzielles und fundiertes Grundverständnis psychologischer Zuammenhänge und Wechselwirkungen (insbesondere in allen Fragen, die unser Bedürfnis nach Bindung betreffen) als auch die Möglichkeit und Pflicht zu eigener fortlaufender Beratung oder Supervision zur Aufdeckung eigener blinder Flecken in Bezug auf die Themen, mit denen sie es täglich beruflich zu tun haben.

Ich glaube, dies wäre nicht nur sehr förderlich für das Leben vieler Kinder und Jugendlicher, sondern vielleicht sogar über viele, viele Banden förderlich für unser aller Zukunft.

Sagt mir gerne, was ihr von dieser Idee haltet, oder erzählt mir und uns von euren ganz eigenen Erfahrungen mit dem Jugendamt!

Hinterlasst mir sehr gerne einen Kommentar!

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