patchwork
Familie 2.0
Die Geschichte kennen wir alle: Da waren dieser Prinz und diese Prinzessin. Und es war wirklich kompliziert mit ihnen am Anfang. Drachen, Hexen, schwarze Ritter und der ganz Kram. Am Ende aber hatten sie sich dann doch. Wir wissen alle, wie die Geschichte ausging: Die beiden lebten glücklich und zufrieden bis an ihr seliges Lebensende. Aus Prinz und Prinzessin werden König und Königin, und später kommen neue Prinzen und Prinzessinnen dazu. Das Volk ist glücklich. Das Land erblüht. Ein Traum von einem Happy End.
Patchwork erzählt eine andere Geschichte…
Patchwork erzählt eine andere Geschichte: eine Geschichte, die manchmal genauso begann. Nur irgendwie hat es irgendwo dann mit dem Happy-End-Teil „bis an ihr seliges Lebensende“ offenbar nicht so ganz geklappt. Wie genau die Umstände auch gewesen sein mögen – Fakt ist, dass die Liebesbeziehung irgendwann zuende war. Und so schwer es der eine oder die andere direkt Beteiligte damals vielleicht glauben oder annehmen konnte – das Leben ging weiter. Nur eben: ganz anders als vorher. Und definitiv: ganz anders als gedacht.
Patchwork wächst aus den Trümmern zerbrochener Träume.
Patchwork wächst aus den Trümmern zerbrochener Träume
Es ist wichtig, dass wir uns dies vor Augen halten: kaum ein Kind unserer Kultur malt sich, wenn es von seiner Zukunft träumt, das Leben in einer Patchwork-Familie aus. Das wundert nicht. Gibt es bei uns doch bislang nur wenige positive Anschauungsobjekte für diese Art von Familienverbund.
In Patchwork-Beziehungen und -Familien treffen Menschen aufeinander, die sich irgendwann vorher einmal etwas völlig anderes vorgestellt hatten. Die Basis einer Patchwork-Beziehung besteht daher allzumeist aus zerbrochenen Träumen.
Das Zerbrechen eines Traums bedeutet Schmerz. Bedeutet ent-Täuschung. Bedeutet das Erwachen aus einer oft lang und treu gehegten Illusion. Das ist bitter. Das ist nicht das, was wir uns gewünscht haben. Gleichzeitig und genau dadurch enthält dieses Modell von Partnerschaft und Familie eine riesige und wundervolle Chance.
Die Mitglieder einer Patchwork-Familie sind, jedes für sich und auf seine eigene Art, konfrontiert mit den innersten Teilen seiner selbst. Mit Bedürfnissen. Mit Wünschen. Und mit der oft bitteren Einsicht, dass nicht alles, was wir uns wünschen, auch in Erfüllung geht.
Je nachdem, wie die Mitglieder einer Patchwork-Familie es gelernt haben, mit den hieraus entstehenden Gefühlen bei sich selbst und den anderen umzugehen, wird es um das Leben und das Miteinander in dieser Patchwork-Beziehung beschieden sein. Sie werden miteinander an diesen schwierigen Gefühlen wachsen, oder sie werden sich in ewig neues Leid verstricken. Das ist die Dimension, über die wir miteinander reden, wenn es um Patchwork geht.
Das alles ist: Familie!
Das Modell von Vater-Mutter-Kind ist ein System mit sehr klar definierten Grenzen. „Das sind wir, und das sind die Anderen.“ Auch wenn gerade diese Grenzen von manchen Beteiligten als einengend empfunden werden, so vermitteln sie doch ein Gefühl von Ordnung und Sicherheit. Die Grenzen einer Patchwork-Familie sind von Natur aus durchlässig nach außen hin. Das kann unser natürliches Bedürfnis nach Klarheit und Struktur schon vor manche Herausforderungen stellen.
Da gibt es ihn, und es gibt sie. Und vielleicht haben sie miteinander ein Kind oder mehrere. Aber dann gibt es da halt auch noch das andere Kind. Oder: die anderen Kinder. Die schon vorher da waren. Und daher so etwas mitbringen wie „die älteren Rechte“. Die in aller Regel nur einen Teil ihrer Zeit Teil der Familie sind, weil sie den anderen Teil beim Vater oder bei der Mutter verbringen, wo sie bestenfalls ebenso zuhause sind. Und den anderen Elternteil gibt es natürlich auch noch. Oder: zwei andere Elternteile. Und die mit ihnen verbundenen Geschichten. Vielleicht haben auch diese inzwischen einen neuen Partner oder eine neue Partnerin. Vielleicht mit jenem oder jener ein weiteres gemeinsames Kind. Oder mehrere. Oder der neue Partner des anderen Elternteils bringt ebenfalls Kinder aus vorherigen Liebesbeziehungen mit in das System.
In manchen Patchwork-Beziehungen entsteht so ein schillerndes Geflecht aus unterschiedlichsten Menschen, ihren Beziehungen und Geschichten zueinander.
All das ist plötzlich: Familie.
Patchwork konfrontiert
Patchwork konfrontiert uns. Mit Geschichten, die wir vielleicht gerne hinter und lassen würden. Aber nicht können. Mit den Entscheidungen, Wünschen und Bedürfnissen anderer Menschen. Mit ihrer Vergangenheit. Mit ihrer Geschichte. Und nicht zuletzt auch damit, ganz offensichtlich nicht der oder die erste Wahl gewesen zu sein. (Haben wir uns je gefragt, ob die erste Wahl eigentlich immer auch die beste ist…?!)
Patchwork konfrontiert uns Erwachsene mit den Wünschen, Bedürfnissen und Gefühlen unserer Kinder. Oder der Kinder unserer Partner. Mit ihrer Geschichte und ihren zerbrochenen Träumen. Mit ihrem Zorn vielleicht. Mit ihrer Traurigkeit und Angst. Wie gehen wir damit um?
Wie gehen wir mit uns selbst um? Mit unseren Wünschen, Bedürfnissen und Gefühlen? Und mit unseren Partnern? Denen, mit denen wir Kinder haben, und den Anderen. Denen, mit denen wir Liebe leben, und den Anderen.
Das ist in meinen Augen die große Chance in Patchwork-Familien. Dass wir uns selbst und einander nicht ausweichen können. Dass wir nicht einfach die Augen zumachen können. Sondern gezwungen sind, aufzublicken und zu wachsen. Aufeinander zu. Über uns selbst hinaus. Oder vielleicht auch: Tiefer in uns selbst hinein.
All das ist Patchwork: Familie 2.0
[separator style_type=“none“ top_margin=“10″ bottom_margin=“10″ sep_color=““ border_size=““ icon=““ icon_circle=““ icon_circle_color=““ width=““ alignment=“center“ class=““ id=““]
Lies hier weiter:
Beziehung 2.0 – Das Märchen vom moralischen Verfall
Trennung mit Kindern: Das lange Manöver
Du willst informiert werden, wenn es von mir etwas Neues zu berichten gibt...?
Trage dich hier ein in meinen E-Mail-Newsletter: