Berührt euch!

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ganz mann, ganz frau: der tanz von yang und yin

Berührt euch!

Jeder Kontakt mit nackter Haut stärkt unser Immunsystem

Körperliche Berührung ist ein Grundbedürfnis des Menschen so wie aller anderen in sozialen Gemeinschaften lebenden Tiere. Im Gegensatz zu unseren tierischen Verwandten haben wir Menschen teils sehr unterschiedliche Kulturen entwickelt, mit unseren Bedürfnissen umzugehen, diesen Raum zu geben oder sie zu unterdrücken. Wir Deutschen beispielsweise haben im Laufe der letzten Jahrhunderte eine eher reservierte und körperscheue Kultur ausgebildet. Das hat nicht nur psychologische Auswirkungen, sondern auch rein physische. Über den Lebensraum Mensch, seine Bewohner und die Auswirkungen von Körperkontakt auf unser Immunsystem.

Von Menschen und Bakterien

Es war der niederländische Kaufmann und Hobbybastler Antoni van Leeuwenhoek, der im Jahre 1675 mittels eines selbstgebauten Lichtmikroskops als erstes in der Lage war, Bakterien sichtbar zu machen. Er entdeckte sie in Pfützenwasser ebenso wie im menschlichen Speichel, ohne jedoch zu ahnen, was genau er da eigentlich unter seinen Linsen hatte. Die damals bereits renommierte Royal Society in London (zu diesem Zeitpunkt gerade mal 15 Jahre alt) reagierte prompt auf van Leeuwenhoeks Entdeckung. Sie überzog den holländischen Forscher mit beißendem Spott und Gelächter. Fünf Jahre später widerrief die Royal Society ihr vorschnelles Urteil und nahm ihn als ehrenvolles Mitglied bei sich auf. Im Jahr 1683 untersuchte van Leeuwenhoek menschlichen Zahnbelag. Auch in diesem fand er die von ihm „Animacula“ getauften Wesen. Seit 1950 verleiht die Royal Society (derzeit in dreijährigem Rhythmus) die Leeuwenhoek-Medaille für besondere Leistungen in den Gebieten Mikrobiologie, Bakteriologie, Virologie, Mykologie, Parasitologie und/oder Mikroskopie. So kann’s kommen.

Knapp 200 Jahre später schlug die Geburtsstunde der wissenschaftlichen Bakteriologie. Innerhalb weniger Jahre entdeckten Forscher in verschiedenen Ländern Europas Bakterien als Verursacher unterschiedlichster Krankheiten, darunter Lepra (1873), Milzbrand (1876), Gonorrhoe (1879), Tuberkolose (1882), Scharlach (1882), Meningitis (1887), Diphtherie (1884) und so fort. Viele dieser medizinisch wegweisenden Entdeckungen wurden damals übrigens in Deutschland gemacht.

Seither allerdings ist der Begriff „Bakterien“ in unserer Welt (wie sich zeigen wird: sehr zu Unrecht!) verknüpft mit Gedanken an Krankheit, Siechtum und verfrühten Tod. Das 20. Jahrhundert sagte den einzelligen Krankheitserregern den Kampf an. Die darauf folgenden Verbesserungen in Bezug auf Hygiene, Ernährung und medizinischer Versorgung hatten radikale Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen hierzulande wie anderswo. Erfindungen wie die von Arsphenamin und insbesondere die der Penicilline revolutionierten die Therapie von Infektionen. Die Folge: Krankheiten wie Pest oder Pocken, Tubercolose oder Typhus, früher oft seuchenartige Plagen, sind in Europa heute nahezu ausgelöscht. Der Kampf gegen die Bakterien hält an. Jedes achte weltweit verkaufte Medikament ist heute ein Antibiotikum.

Planet Mensch

Im Grunde ist ein Antibiotikum kein Medikament, sondern ein hochwirksames Gift. Wir schlucken es, um mit seiner Hilfe unerwünschten Bakterien, die sich in unserem Körper angesiedelt haben, zügig und umfassend den Garaus zu machen. Die Strategie geht allzumeist auf: Das Gift tötet die Eindringlinge. Die biochemische Keule ist allerdings nicht gerade das, was man ein Präzisionsinstrument nennt. Es tötet neben allen unerwünschten und schädlichen auch alle anderen Bakterien, denen es auf seinem Weg durch unseren Körper begegnet. Und das sind nicht wenige! Die allermeisten dieser Bakterien aber sind uns gar nicht feindlich gesonnen. Im Gegenteil: Sie sind unsere Freunde. Mehr noch: Sie sind unsere Bewohner, wir sind ihr Planet, und viele von ihnen helfen uns beim Überleben!

Wir Menschen, insbesondere jene westlicher Prägung, pochen gerne auf unsere Autonomie und Unabhängigkeit. Wir sehen uns gerne als autarke Individuen. Mein Leben und mein Körper gehören mir, und Basta! Selbstverständlich, ganz natürlich, wem auch sonst…? Nun…

Der Körper eines durchschnittlichen ausgewachsenen Menschen enthält ca. 30 Billionen Zellen. Darüber hinaus besiedeln uns jedoch etwa 40 Billionen Zellen, die streng genommen gar nicht zu uns gehören, denn ihr Erbgut ist nicht menschlich. Es ist nicht einmal besonders nahe mit uns verwandt. Wir sind innen wie außen bevölkert und besiedelt von Bakterien, Archaeen, Pilzen und Viren. Unter diesen gibt es eine (bislang) unübersichtliche Vielzahl von Familien und Stämmen. Die meisten von ihnen leben dauerhaft in uns. Sie sind unsere Stammbevölkerung, und ihr Leben und Wohlbefinden ist eng mit dem unseren verbunden.

Im und auf dem Körper eines gesunden Erwachsenen leben rund 10.000 verschiedene Arten von Einzellern aller Couleur, 1.000 davon allein auf der Haut. Die weitaus meisten von ihnen allerdings finden sich in den feuchten und nährstoffreichen Milieus des etwa sieben bis acht Meter langen Schlauches, der sich von Mund bis After einmal längs durch unseren Körper zieht. Dort helfen sie uns bei der Entgiftung und Aufspaltung der Nahrung, stellen Nährstoffe und Enzyme her und sind uns auf viele weitere Weisen nützlich. Insbesondere sind sie ein unersetzbarer Teil unseres Immunsystems.

Die Türsteher unseres Immunsystems

1877 formulierte der französische Biologe und Chemiker Loiuis Pasteur den Satz: „Leben verhindert Leben.“ Er hatte entdeckt, dass einige Bakterienkulturen das Wachstum anderer Bakterienkulturen behinderten. Die dieser Erkenntnis zugrunde liegenden Experimente waren Meilensteine in der Entwicklung späterer Antibiotika. Die Produktion derartiger Giftstoffe jedoch ist nur eines der Werkzeuge, mit denen diese winzigen Lebewesen ihren Lebensraum (beispielsweise: uns) vor schädlichen Eindringlingen beschützen.

Seit frühester Kindheit an sind wir von oben bis unten bewachsen mit und bewohnt von Bakterien. Allein auf einem einzelnen Zahn in unserem Mund lebt ca. eine Milliarde von ihnen.

Halten wir uns vor Augen: Diese Lebewesen in uns und auf uns betrachten unseren Körper (bzw. die Nische, die sie in oder auf ihm bewohnen) als ihr Zuhause. Dort finden sie Nahrung, Wärme, Feuchtigkeit, ein angenehmes pH-Milieu und so weiter. Was für uns eine Talgdrüse ist, eine Darmpore oder ein Fältchen in der Schleimhaut, ist für sie ihr Heim und Herd. Überreißen wir die Metapher nicht zu sehr. Natürlich können die Bakterien oder Pilze in uns nicht fühlen oder denken. Sie haben also auch keine Heimatgefühle für dich und feiern weder den Tag deiner Geburt noch den deiner Zeugung. Was sie jedoch tun, ist ihren Lebensraum zu verteidigen und von schädlichen Einflüssen so weit wie möglich freizuhalten.

Wahrscheinlich nehmen wir die allerersten unserer Besiedler bereits im Mutterleib durch das Fruchtwasser auf. Eine weitere kräftige Dosis erhalten wir auf unserem Weg durch den Geburtskanal, in dem kräftig geschmiert werden im Blut und diversen anderen Drüsensekreten und Körpersäften unserer Mutter. Dies ist die ursprüngliche Besiedlung, in der wir alle in dieses Leben gestartet sind. Mit Ausnahme natürlich jener, die durch einen Kaiserschnitt geboren wurden. Diesen verabreicht man inzwischen regelmäßig eine Beimpfung mit einem mütterlichen Scheidenabstrich zur Unterstützung des Aufbaus einer eigenen Immunabwehr.

Die meisten potenziellen Infektionen sind vorbei, bevor unsere körpereigene Abwehr von diesen überhaupt Notiz nimmt. Täglich, stündlich, landen Bakterien und andere Einzeller durch Berührung oder durch die Luft in unserem Haar, auf unserer Haut oder in Mund und Rachen. Einige dieser spontanen Besucher hätten durchaus das genetische Potenzial, uns gehörig aus den Latschen zu hauen. Die meisten von ihnen jedoch sind unseren heimischen Einwohnern sowohl in Anzahl als auch in Standortkompatibilität derart grotesk unterlegen, dass sie an unserem bewussten Empfinden vollkommen unbemerkt vorbeigehen.

Die Bakterienflora unserer Haut und Schleimhäute übernimmt in unserem Immunsystem neben anderen Aufgaben die des Türstehers. Wer an ihnen nicht vorbei kommt, bleibt draußen.

Was passiert, wenn wir uns berühren

Im Vergleich zu unseren Darmzotten ist unsere Haut relativ gering besiedelt. Nur etwa 100 bis 10.000 Bakterien leben dort auf einem Quadratzentimeter. Aus Sicht unserer Mikroben betrachtet ist unser Inneres ein reiches und fruchtbares Land, unsere Außenhülle dagegen eher so etwas wie eine Steppe oder Savanne. Das bedeutet jedoch nicht, dass dort nichts los wäre, denn wie in jeder Wüste gibt es auch auf unserer Haut Oasen voller Leben.

Wir können unser tierisches Erbe nicht verleugnen. Selbst wenn wir uns noch so oft rasieren, wachsen uns an etwa fünf Millionen Stellen Haare aus der Haut. Die Follikel, aus denen sie wachsen, beinhalten Feuchtigkeit und Talg. Dies sind üppige Nährstoff-Oasen, in denen manche unserer Hautbakterien sehr gedeihlich leben. Doch auch zwischen unseren Kopf- und Körperhaaren siedeln winzige Kolonien von Einzellern, fressen, teilen sich und passen auf uns auf.

Unsere Haut wird gerne als unser größtes und vielseitigstes Organ bezeichnet. Glatt ausgebreitet nähme unsere Haut eine Fläche von rund zwei Quadratmetern ein. Auf und in dieser Haut also siedeln Bakterien und einige Pilze mit unserem weiteren Körper in trauter Symbiose. Was passiert, wenn wir nun die Haut eines anderen Menschen berühren?

Nun, je nach Geographie und Intensität der Berührung wandern mehr oder weniger einzellige Wesen der einen oder der anderen Art vom Körper des einen Menschen zum Körper des anderen und umgekehrt. Was im Folgenden passiert, ist für den reinen Hautkontakt meiner Kenntnis nach noch nicht untersucht worden (Irrtum? Falls ja, bitte melden!), sehr wohl aber für das Küssen.

Dabei nämlich werden pro Sekunde etwa acht Millarden Bakterien von einem Mund in den anderen gespült. Das mögen manche von uns vielleicht irgendwie unhygienisch finden, für unsere Mundflora ist es wie eine Frischzellenkur. So lange wir die heimischen und nützlichen Bakterien in unserem Mund nicht gerade einem akuten Seuchenherd aussetzen (Dies sollten wir in der Tat eher vermeiden!), stärkt die Durchmischung unserer gegenseitigen Bakterienkulturen in der Regel unseren heimischen Bestand.

Werner Solbach von der Universität Lübeck bringt die Sache auf den Punkt, wie es nur ein Mediziner kann: „Wenn beim Küssen die Keime der anderen Person mit dem Speichel übertragen werden, dann ist das wie eine Schluckimpfung“. Auch Remco Kort vom „Amsterdam Institute for Molecules, Medicine and Systems“, leiter einer großangelegten Studie über den Mikrobiom-Austausch beim Küssen, bestätigt: „Wir sollten vor allem eine möglichst vielfältige Bakteriengemeinschaft haben“ Ich habe keinen Zweifel daran, dass dies nicht nur fürs Küssen gilt, sondern auch bei jeder Art von Berührung von Handschlag bis zum Sex.

Jedesmal, wenn wir einem Menschen die Hand geben, nehmen wir ein paar Hundert oder Tausend Bakterien von der Hand unseres Gegenübers mit zu uns zurück. Und hinterlassen ihm oder ihr ebenfalls einen minimalen Ausschnitt unseres Haut-Mikrobioms. Mit dieser Hand streifen wir uns später vielleicht eine Wimper aus dem Auge, pulen uns einen Essensrest aus den Zähnen oder trösten unserem Kind die Tränen. Ebenso wie er oder sie vielleicht zuvor.

Wenn wir uns liebevoll umarmen, unsere Wangen aneinander liegen und wir vielleicht mit den Haaren über das Gesicht des/der Anderen streifen, nehmen wir Bakterien mit und lassen welche zurück. Hier wie dort werden die Neuankömmlinge ihr Bestes geben, um auch auf dem neuen Planeten ein gutes und sicheres Zuhause zu finden. Doch dort, wo dies möglich wäre, sind bereits Andere zuhaus.

Die weit überwiegende Mehrheit aller Bakterienkulturen oder Pilze, die durch den Kontakt mit der Haut oder Schleimhaut anderer Menschen auf oder in unseren Körper gelangen, überlebt dort nicht besonders lange. Evolutionsbiologisch betrachtet sind die heimischen Siedler schlicht besser angepasst an die gegebenen Verhältnisse als die Neuankömmlinge aus dem leicht anderen Milieu.

Manchmal jedoch zeigt sich, dass Bakterien aus dem Mundraum des/der Anderen die eine oder andere Nische in dem unserem besser zu nutzen in der Lage sind als deren bisherige Bewohner. In diesen Fällen kommt es zum Zuzug und schließlich zur Einbürgerung. Der Kontakt mit der Körperflora eines anderen (gesunden) Menschen hält unser eigenes Mikrobiom also auf Trab, frischt es auf und erweitert es.

Acht Milliarden Bakterien pro Sekunde innigem Zungenkuss! Wie viele mögen es sein, wenn wir einander leidenschaftlich und frei lieben; wenn die Haut glänzt von Schweiß und einem Schwung weiterer Körperflüssigkeiten? Wie viele mögen es sein, wenn wir danach eine ganze Nacht lang nackt an nackt, Körper an Körper schlafen und eng umschlungen miteinander regenerieren?

Berührt euch öfter!

Wir leben in einem Land, in dem Einsamkeit zur Volkskrankheit wird, in dem immer mehr von uns zu Inseln werden, die umeinander herum treiben, aber einander kaum mehr berühren, weder physisch wie emotional. Die psychische Schäden, die dies in vielen Menschen hinterlässt, Frauen wie Männern und Erwachsenen wie Kindern gleichermaßen, sind himmelschreiend. Doch auch rein biologisch-medizinisch betrachtet tun wir uns, wie gerade gezeigt, keinen Gefallen damit!

Ich weiß, Kinners! Viele von uns haben irgendwie gelernt, Angst davor zu haben, berührt zu werden, sei es physisch oder psychisch. Sie haben irgendwann und irgendwo verinnerlicht, dass Berührung etwas Unangenehmes ist, etwas, das verunsichert oder gar verletzt. Etwas, wovor man sich schützen muss.

Viele von uns haben außerdem gelernt, dass es wichtig ist, potenziellen Gefahrenquellen möglichst weiträumig aus dem Weg zu gehen. Kranke Menschen sind ein Infektionsrisiko. Aber weiß ich, ob der gesund aussehende Mensch mir gegenüber nicht vielleicht doch krank sein könnte und man es einfach nur nicht sieht? Besser auf Distanz! Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!

Wenn ich sage: „Berührt euch!“, dann ist das kein Befehl, sondern eine Einladung!

Berührt euch!“ bedeutet nicht, dass ihr von nun an jede Arbeitskollegin und jeden Hausmitbewohner mit einer Umarmung begrüssen sollt. Es gibt Beziehungen, die sind auf körperlicher und emotionaler Distanz aufgebaut. Manchmal ist das schade. Manchmal ist das aber auch sehr gesund so und sollte bestenfalls so bleiben. Andere Beziehungen in unserem Leben aber bauen (hoffentlich!) auf emotionaler Nähe und Verbundenheit auf. Solche Beziehungen können die Basis bieten für den Austausch von Berührung, Körperkontakt und ein Upgrade unseres Immunsystems.

Körperliche Berührungen nähren uns nicht nur emotional, sie stärken auch durch Austausch und Durchmischung unseres Mikrobioms unsere rein physische Abwehrkraft und Fitness. Wenn wir uns als Freunde umarmen, wenn wir als Eltern unsere Kinder schmusen, wenn wir als Liebespartner Liebe machen, dann ist dies jedesmal ein Geschenk für beide Empfänger oder Empfängerinnen. Die Natur weiß das. Aus guten Gründen ist das Grooming, die „soziale Fellpflege“, unter den Vögeln und Säugetieren überaus weit verbreitet.

Anders als Enten und Aras, Paviane und Pferde aber haben viele von uns in ihrem Umfeld nur wenige Vorbilder für bewusstes und selbstbewusstes miteinander-körperlich-sein. Das ist schade, wirklich. Doch ist nicht die Frage, was unsere Nachbarn, unsere Kollegen oder gar unsere Freunde (jeweils mit *innen) für normal und richtig halten, letzten Endes weit weniger bedeutsam als die Frage, was uns selbst und unseren Liebsten gut tut?

Einladung zu einem berührten und berührenden Leben

Eine der großartigsten Entdeckungen des menschlichen Geistes ist meiner festen Überzeugung nach die Zeitform des „Futur 2“. Sie bedeutet: Es gibt eine Zukunft, in der das, was derzeit unsere Zukunft ist, bereits Vergangenheit sein wird. Und wir sind in der Lage, unseren Geist in diese Zeit voraus zu senden, um von dort auf uns und unser Tun zurück zu blicken. Wir werden unser Leben gelebt haben. Auf welche Art von Leben wollen wir zurückblicken an diesem Tag?

Dies ist nicht die Generalprobe. Dies ist unser eines, einziges Leben. Eines Tages in der Zukunft, und niemand weiß, wie fern, wie nah, werden wir unseren letzten Atemzug tun. Was wir bis dahin gelebt und erlebt haben, ist alles, was wir jemals erleben und erfahren werden. Keine/r von uns nimmt etwas mit, doch jede/r von uns hinterlässt Spuren in dieser Welt.

Manche von uns werden Spuren hinterlassen, die von Kälte, Härte und Distanz künden. Andere von uns werden noch lange nach ihrem Tod ein leuchtendes Lächeln erzeugen auf den Gesichtern jener, die sich an sie erinnern. Diese Menschen hinterlassen Spuren der Nähe, der Wärme und Verbundenheit.

Wir leben in einer derart hochtechnisierten Welt, dass vielen von uns die Illusion von „Sicherheit durch Abschirmung, Freiheit durch Kontrolle!“ allgegenwärtig scheint. Wir alle wissen, dass diese Gleichung ein Märchen ist. Schlimmer noch: Wir leiden unter der Vereinsamung und dem subtilen Verdacht einer permanenten Überwachung. Ich glaube nicht, dass die meisten von uns so leben wollen. Doch wie in jeder guten Herde orientieren sich auch bei uns die meisten zumeist an den meisten, doch nicht daran, was diese wollen, sondern daran, was diese tun. Darum gibt es bei uns (bislang) noch relativ wenige Vorbilder für ein wahrhaft berührtes und berührendes Leben.

Menschen zu berühren und uns berühren zu lassen, sei dies körperlich oder emotional, bedeutet immer auch, dass wir uns verletzlich machen. Immer, wenn wir uns einer/einem Anderen öffnen, gehen wir das Risiko ein, durch diese Öffnung Schaden zu erfahren, mal durch verletzende Worte mal durch eine kleinere oder größere Infektion. Dieses Risiko jedoch ist nicht nur unvermeidlich, es ist letzten Endes die Grundzutat eines jeden selbstbestimmten Lebens.

Ich glaube: Am Tage unserer Beerdigung wird es nicht von Bedeutung sein, wie viele Menschen wir gekannt haben, sondern wie viele Menschen wir berührt haben und was wir dadurch in ihnen hinterließen.

Das lässt sich metaphorisch lesen, im Lichte der Mikrobiomforschung allerdings auch ganz biochemisch. Beide Gründe laden euch ein: Berührt euch öfter!

Wir können unser Leben verlängern, indem wir kuscheln, küssen und knuddeln…! Was für eine wunderbare Nachricht für das Bundesgesundheitsministerium! Warum gibt es da eigentlich noch keinen nationalen Aktionsplan? Was hältst du von dieser Idee? Hinterlasse mir gerne einen Kommentar!

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